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Katzen, Matatabi, Euphorie und Insektenschutz

Nicht jede Katze mag Katzenminze und nicht jede mag Baldrian. Aber es gibt noch mehr Pflanzen, die Samtpfoten in Verzückung versetzen. Zu den bekannten Vorteilen des Genusses fanden Forscher jetzt weitere im Bereich der Insektenabwehr.

Die Katzenminze hat ihren Namen, wie die englische Bezeichnung Catnip, nicht von ungefähr. Dabei "stehen" nur 2 von 3 Samtpfoten auf diese hübsche Pflanze. Nur wenige fressen die Blätter, denn es ist eher der Geruch als der Geschmack von Nepeta cataria, der sie anspricht.

Ebenfalls bekannt ist hierzulande die reizende Wirkung von Baldrian (Valeriana officinalis) auf Katzen, d.h. dessen Wurzeln. Auch diese Inhaltsstoffe werden vom Zoofachhandel in Duftsäckchen angeboten, wecken bei uns Menschen allerdings Assoziationen mit wochenlang getragenen Sportsocken, eignen sich also nur für Haushalte geruchsunempfindlicher oder sehr toleranter Katzenhalter. Da ist es geradezu erfreulich, dass nur jede 2. Katze (50 %) darauf anspricht, ebenso wie auf die in Europa seltene Tataren-Heckenkirsche (Lonicera tatarica).

Katze mit Silberwein

Eine gute Alternative ist Japanischer Silberwein (Actinidia polygama), auch Matatabi genannt, für den sich immerhin 80 % der Hauskatzen begeistern und dessen Geruch menschliche Nasen kaum wahrnehmen. Die beste Wirkung erzielen die Früchte des Silberweins, wenn sie von der asiatischen Mücke Pseudasphondylia matatabi parasitiert werden und dadurch so genannte Gallen bilden. Die Wirkung auf Katzen ist in Japan schon seit mehr als 300 Jahren bekannt: in einer alten Erzählung benutzen Mäuse den Silberwein, um Katzen zu berauschen und von der Jagd auf sie abzulenken. In Deutschland wird dieser "gute Katzenstoff" nur selten angeboten.

Eine Katze, die sich weder für Catnip, noch für Baldrian interessiert, findet wahrscheinlich Matatabi großartig – ein "Rauschmittel" liebt fast jede Katze.

Verzückte Katze mit Matatabi

Dabei ist es kein klassischer Rausch, wie wir Menschen ihn kennen, auch bekommen Katzen davon keinen Kater. Es besteht also weder Suchtgefahr, noch eine sonstige Schädigung, und auch Sexualverhalten lösen diese Pflanzen nicht aus. Der Genuss ist also ungefährlich, sogar vorteilhaft!

Genau genommen sind Duftquellen eine oft unterschätzte Bereicherung im Leben unserer Hauskatzen, v.a. wenn sie ausschließlich im Haus leben. Neben anderen Möglichkeiten zur Aufwertung des Lebensraumes hilft ein "Blick" auf die Geruchswelt der Katzen, um Langeweile und Stress zu reduzieren (s.a. Die Macht der Düfte). Durch eine entsprechende Aufwertung der Umgebung können auch gezielt angebotene Duftquellen Verhaltensprobleme vermeiden oder verringern helfen, etwa Aggression und übermäßiges Putzen, sowie gesundheitliche Probleme, z.B. Erkrankungen der oberen Atemwege, der harnleitenden Wege (Niere und Blase) und Übergewicht.

Sabbern, reiben und dann entspannen

Wenn eine Katze Catnip, Matatabi oder Baldrian als anziehend empfindet, beschäftigt sie sich kurz, aber intensiv mit der Duftquelle. Die Reaktionen kennen viele Katzenhalter: Die Samtpfoten schnuppern und lecken daran und beißen hinein, oft verbunden mit starkem Speicheln, sie reiben Kopf, Wange und Kinn daran, wälzen ihre Körper darauf und manche verprügeln den Duftträger regelrecht und regelmäßig. Diese euphorischen Ausbrüche dauern selten länger als 5, und maximal 15 Minuten. Nach dem anschließenden Putzen wirken die Katzen entspannt, ausgeglichen und weniger gestresst, in den folgenden Stunden sind die Düfte uninteressant.

Katze mit Matatabi

Nur Euphorie?

Auf die seit 300 Jahren offenen Fragen, warum Katzen so euphorisch auf diese Pflanzen reagieren, und was dabei im Katzenkörper passiert, fand ein Team japanischer und englischer Forscher um Reiko Uenoyama (2021) nun Antworten. Katzen finden v.a. die verwandten Inhaltsstoffe Nepetalactol (v.a. in Silberwein) und Nepetalacton (v.a. in Catnip) verlockend, laut einer Studie von Bol et al. (2017) aber auch Actinidin, Bestandteil beider Pflanzen sowie von Baldrian. Nepetalactol führte bei den Versuchskatzen zur vermehrten Ausschüttung von Endorphinen, die auch bei Menschen das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren und Euphorie auslösen. Der Geruch von Nepetalacton und Nepetalactol versetzt Katzen also in euphorische Ekstase, die wiederum das bekannte Reiben am Duftträger auslöst.

Im Gegensatz zu körperfremden Opioiden, die Suchtverhalten auslösen, führen körpereigene Endorphine nicht zur Abhängigkeit.

Verzückte Katze mit Matatabi

Insektenschutz

Die biologische Funktion dieses "Schmusens" am Silberwein wurde ebenfalls von Uenoyama und Kollegen enthüllt. Sie fanden heraus, dass Asiatische Tigermücken Aedes albopictus von Nepetalactol erkennbar abgeschreckt werden, geradezu fliehen. Eine ähnliche Wirkung von Katzenminze auf mehrere Mückenarten, Zecken und Milben ist schon länger bekannt. Silberwein, Catnip und vermutlich auch Baldrian wirken also als Mückenabwehr bzw. Repellent. Der Schutzeffekt ist v.a. im Kopfbereich wichtig, da die dünn behaarten Stellen an Ohren, Augen, Schläfen, Mund und Nase gerne von Stechmücken heimgesucht werden und der gesamte Kopf- und Nackenbereich von Zecken. Dass Katzen auf die summenden Quälgeister oft genervt reagieren, zeigten mir schon viele meiner eigenen Katzen durch Zucken des Rückenfells und Schnappen, Kauen und Schlucken der "Minihäppchen".

Wenn sich Silberwein oder Catnip oberhalb des Katzenkopfes befinden, wälzen Katzen sich nicht auf dem Boden. Das Reiben am Duftträger und auch das Wälzen mit dem Körper darauf ist demnach nicht (nur) Zeichen von Wonne und Wohlbefinden, sondern hat v.a. die Funktion, die Inhaltsstoffe aufs Fell zu übertragen.

Es gibt einige Tierarten, die sich mit Sekreten z.B. von Zitrusfrüchten oder Tausendfüßlern vor Parasitenbefall schützen, nachgewiesen wurden solche Behandlungen und Prophylaxen bei mehreren Vogelarten, Nasenbären und Schimpansen. Bei den Raubtieren ist eine Nutzung von Pflanzenstoffen zur Insektenabwehr nicht generell üblich. Allerdings schützen sich viele Felidae auf diese Weise, v.a. die schon gut untersuchten großen Arten wie Löwen, Leoparden, Luchse und der Jaguar. Man geht daher davon aus, dass sich dieses Verhalten bei einem frühen Katzenvorfahr entwickelte und seitdem (fast) alle daraus entstandenen Arten davon profitieren. Katzen sind beim Anschleichen und Lauern leichte Opfer von Ektoparasiten und ihre Vermeidung hilft nicht nur gegen Irritation und Juckreiz, sondern auch Krankheiten, die von Insekten übertragen werden.

Die Studien von Sebastiaan Bol (2017) und Reiko Uenoyama (2021) und ihren Kollegen lieferten weitere Puzzlesteine zur Erklärung dieses Phänomens. Die Katzen haben aber auch in diesem Bereich noch nicht alle Details preisgegeben. Interessant wären etwa Untersuchungen, die Aufschluss darüber bringen, warum Hauskatzen unterschiedlich auf diese Düfte reagieren, wie auch die Forscher betonen.

Quellen:

Bol, S., J. Caspers, L. Buckingham, G.D. Anderson-Shelton, C. Ridgway, C.A.T. Buffington, S. Schulz & E.M. Bunnik (2017): Responsiveness of cats (Felidae) to silver vine (Actinidia polygama), Tatarian honeysuckle (Lonicera tatarica), valerian (Valeriana officinalis) and catnip (Nepeta cataria). – BMC Veterinary Research, DOI: 10.1186/s12917-017-0987-6.

Uenoyama, R., T. Miyazaki, J.L. Hurst, R.J. Beynon, M. Adachi, T. Murooka, I. Onoda, Y. Miyazawa, R. Katayama, T. Yamashita, S. Kaneko, T. Nishikawa & M- Miyazaki (2021): The characteristic response of domestic cats to plant iridoids allows them to gain chemical defense against mosquitoes. – Science Advances, 7: eabd9135.

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