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Wildkatzen in neuem Aufwind

Auch die Europäische Wildkatze zählt zu den bedrohten Tierarten. Eine aktuelle Studie ergab, dass die kleinen, europäischen "Tiger" mittlerweile in fast allen größeren Wäldern Deutschlands heimisch sind und ihre Zahl sich gut erholt hat – ein großartiger Erfolg.

Europäische Wildkatze

Sie sind recht klein, scheu und unscheinbar, selten auf offenen Flächen unterwegs und außerdem hauptsächlich nachts; mit ihrer verschwommenen Fellzeichnung scheinen sie mit der Umwelt zu verschmelzen, sehen dabei getigerten Hauskatzen zum Verwechseln ähnlich. Kein Wunder, dass es schwierig ist, Europäische Wildkatzen zu erforschen, ihren Tagesablauf festzuhalten, die Größe ihrer Streifgebiete zu bestimmen und ihre Anzahl zu schätzen. Die Ergebnisse früherer Forschung und Informationen über diese heimische Tierart waren deshalb bisher eher dürftig.

Dank moderner Technik ändert sich dies zusehends: GPS-Tracker sind mittlerweile leicht genug, um als Halsbandanhänger Daten seiner Träger über einen langen Zeitraum zu senden. Bessere DNA-Methoden erlauben es, kleinste Proben zu analysieren und Individuen zuzuordnen. Für den Gentest muss keine Katze bluten, dafür reichen ein paar Haare, die sie freiwillig an einem Lockstock, einem meist mit Baldrian als lockenden Duft präparierten Holzstab, hinterlassen; wie sehr viele Hauskatzen reiben sich auch die Wildkatzen intensiv an dem groben, duftenden Holz. Letztendlich liefern viele Wildkameras Fotos von Felis silvestris silvestris (und ihren Mitbewohnern) und Videokameras Filme.

Population und Verbreitung

Im Jahr 2016 veröffentlichte ein Team um Katharina Steyer Daten aus DNA-Material, das sie, Hunderte Kollegen und mehrere Tausend Freiwillige von 2007 bis 2013 gesammelt hatten. Und sie konnten bestätigen, dass die Wildkatze in Deutschland weit verbreitet ist und zahlenmäßig stark zugelegt hat. Das große Team sammelte 6.000 DNA-Proben, durch die 2.220 Katzen identifiziert werden konnten. Steyer schätzt ihre Populationsgröße in Deutschland auf insgesamt 5.000-10.000 Individuen (Hochrechnungen sind unsicher).

Dabei gelangen auch Nachweise in Gebieten, in denen F. s. silvestris bisher nicht gefunden werden konnte, etwa der Kottenforst bei Bonn und der Arnsberger Wald. Diese Regionen ergänzen das bisherige Verbreitungsgebiet, das von Südniedersachsen bis Nordbayern und von Eifel, Hunsrück und Pfälzerwald im Westen bis zum Thüringer Wald im Osten reicht. Im Westerwald, Kellerwald und in der Rhön fanden sich Belege für nun beständige Populationen.

Hybridisierung

Nur bei 86 Proben (weniger als 4 %) konnten Hinweise auf eine Einkreuzung von Hauskatzen nachgewiesen werden, ein weiterer erfreulicher Befund. Eine so genannte Hybridisierung findet wohl deshalb so selten statt, weil sich nach wie vor kaum Wildkatzen in die Nähe menschlicher Siedlungen – und Hauskatzen – wagen und nur wenige männliche Hauskatzen es bei der Ranz (der Fortpflanzungszeit) mit konkurrierenden Kudern (männlichen Wildkatzen) aufnehmen können. Auch in Italien und Portugal vermischen sich Wild- und Hauskatzen selten, in Ungarn und Schottland aus bisher unbekannten Gründen häufiger.

Bisherige Bedrohung

Die Ergebnisse der Studie sind deshalb so erfreulich, weil die scheuen Katzen bisher schon mehrmals an den Rand der Ausrottung getrieben wurden. In den letzten Jahrhunderten wurde mehrere Male das Jagdrecht aufgehoben, d.h. jeder durfte Wildtiere erlegen, nicht nur Jäger. Dies führte zu ihrer verstärkten Verfolgung, die Jäger aus Neid, immerhin hielt sich lange die auch in Brehms Tierleben (1960) erwähnte Mär, sie würde Reh- und Hirschkälber überfallen und ihnen die Halsschlagader durchbeißen. Dabei weisen alle Belege, auch damals schon, auf Mäuse als ihre Hauptnahrung hin. Die während der Aussetzung des Jagdrechts in Armut lebende Bevölkerung nutzte Wildkatzen dagegen hauptsächlich als Nahrung. Zu ihrer Dezimierung trug auch die zunehmende Bebauung und intensive Landnutzung bei, durch die Lebensräume zerstört oder wenigstens so stark zerschnitten wurden, dass Zuwanderungen inklusive Auffrischungen des Genpools kaum noch möglich waren. Immerhin braucht jede weibliche Wildkatze ein Gebiet von 2–20 km², um sich und den Nachwuchs ernähren zu können, die Kuder durchstreifen 20–50 km², teilen sich diese Zonen allerdings oft mit Artgenossen beider Geschlechter.

Gründe für die Erholung

Gründe für die größere Populationsdichte und Ausbreitung sind verbesserte Lebensbedingungen durch ein Umdenken der Forstwirtschaft und Einrichtung von Wildkorridoren, die größere Waldgebiete verbinden und Wanderungen erlauben. Auch die häufigen und starken Stürme tragen zu einer Bereicherung der Lebensräume bei, indem sie in ungünstigen Fichten-Monokulturen durch Windbrüche Lichtungen, Rückzugsmöglichkeiten und gute Lebensbedingungen für Nager schaffen. Ebenfalls vorteilhaft wirkt sich die Aufklärung der Jäger aus: F. s. silvestris darf zwar nicht gejagt werden, fällt jedoch oft Verwechslungen mit streunenden getigerten Hauskatzen zum Opfer, die sehr wohl geschossen werden dürfen; die Hinweise auf die große Ähnlichkeit beider Arten hat sicher auch schon einigen Hauskatzen das Leben gerettet.

Der größte Feind der Wildkatzen – wie auch anderer Wildtiere – bleibt der Straßenverkehr, der jährlich viele Opfer zu verantworten hat. Achten Sie deshalb in waldreichen und -nahen Gebieten auf eine geringere Geschwindigkeit, sie kann Leben retten. Denn insgesamt sind Europäische Wildkatzen immer noch selten, ihre Bestände nach wie vor nicht stabil.

Quelle:

Steyer, K., R.H.S. Kraus, T. Mölich, O. Anders, B. Cocchiararo, C. Frosch, A. Geib, M. Götz, M. Herrmann, K. Hupe, A. Kohnen, M. Krüger, F. Müller, J.B. Pir, T.E. Reiners, S. Roch, U. Schade, P. Schiefenhövel, M. Siemund, O. Simon, S. Steeb, S. Streif, B. Streit, J. Thein, A. Tiesmeyer, M. Trinzen, B. Vogel, C. Nowak (2016): Large-scale genetic census of an elusive carnivore, the European wildcat (Felis s. silvestris). – Conservation Genetics, pp 1–17, DOI: 10.1007/s10592-016-0853-2.

 

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