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Vogelfeind Nr. 1: Katze oder Mensch?

Forscher untersuchen schon seit einigen Jahren den Einfluss von Katzen auf Wildtiere und präsentieren teilweise erschreckende Opferzahlen samtpfötiger "Vogelmörder". Dass die Verhältnisse doch viel komplizierter sind als angenommen, verdeutlicht auch eine aktuelle Studie aus den Niederlanden über die Wirkung von Pestiziden, die die Forscher für den Rückgang von Vogelpopulationen verantwortlich machen. Die hier abgebildete Tannenmeise sammelt für den Nestbau Katzenhaare von der Kratzmatte.

Tannenmeise

In ihrer Forschungsarbeit über Katzen und ihre Beutetiere bezifferten die Autoren Loss, Will & Marra im Jahr 2012 die Vogelsterblichkeit durch Hauskatzen in den USA mit etwa 2,4 Milliarden pro Jahr. Ihre Arbeit, veröffentlicht von Nature Communications, ist als mathematisches Modell konzipiert, also sehr theoretisch, die Grundlagen stellen allesamt Schätzwerte dar. Als Ergebnis ermittelten sie daher neben dem Durchschnittswert eine ebenfalls geschätzte Bandbreite, also die möglichen (!) Fälle von Vogelopfern: 1,4-3,7 Milliarden. Einige Medien veröffentlichten nur die Maximalwerte der "Killer mit Kulleraugen" (Der Spiegel, 6/2013) und stilisierten die Hauskatzen daraufhin zum "wohl mörderischsten Raubtier auf diesem Planeten".

Auch Hauskatzen sind Beutegreifer (Raubtiere)

Dass Katzen Beutegreifer sind, streiten auch ihre Freunde nicht ab, schließlich wurde das Zusammenleben mit ihnen aus genau diesem Grund Jahrtausende lang gefördert – domestiziert haben sich die Katzen nach vorherrschender Meinung selbst – und auch heute noch werden sie erfolgreich zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Auch Vögel befinden sich unter ihrer Beute, diese fallen jedoch nicht ins maßgebliche Schema der auf bodenlebende Kleinsäuger spezialisierten Katzen und werden i.d.R. nur ausnahmsweise erbeutet.

Andere Vogelfeinde

Forscher um Caspar Hallmann von der Universität Nijmegen (NL) stießen nun bei ihren Untersuchungen über die Auswirkungen spezieller Pestizide auf einen unerwarteten Zusammenhang, den sie im Juli 2014 in der Zeitschrift Nature veröffentlichten: Die auf Insekten und andere Wirbellose schädlich wirkenden Pflanzenschutzmittel sind auch für den Rückgang zahlreicher Vogelarten verantwortlich zu machen. Die beliebten und häufig eingesetzten Mittel der Neonicotiniod-Gruppe sind aufgrund einiger wissenschaftlicher Untersuchungen schon länger als "Bienenkiller" verschrien, daher ist der Einsatz von dreien dieser Mittel in der EU derzeit nur noch eingeschränkt erlaubt. Außerdem wirken sie sich negativ auf zahlreiche Wasserorganismen aus, zumal sie nur langsam abgebaut werden und sich in Wasser und Boden anreichern.

Vögel werden von den Neonicotinoiden nicht direkt vergiftet, wie die Forscher feststellten, aber sie töten die Nahrung aller neun insektenfressenden Vogelarten. Fatal ist die Wirkung der Pestizide allerdings auf die Jungvögel. Alle 15 untersuchten Vogelarten füttern ihre Nachkommen mit Insekten, von denen sich viele in Bächen und Seen entwickeln – wenn sie nicht von den Agrochemikalien dahingerafft wurden. Denn die Zahl der Insektenlarven nimmt in Gewässern mit höheren Pestizidkonzentrationen deutlich ab. Dadurch leiden die Vögel in diesen Gegenden unter Futtermangel und/oder können ihren Nachwuchs nicht ausreichend versorgen. "Neonicotinoide galten bisher immer als selektive Gifte", sagt Koautor Hans de Kroon. "Aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sie das gesamte Ökosystem beeinträchtigen." Die Forscher betonen, dass sie daher ein viel größeres Risiko sind als erwartet.

Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf unsere Umwelt und unseren Einfluss auf sie zu werfen. Und es ist fraglich, welchen Platz die Hauskatze in der langen Risikoliste der Vögel einnimmt – unter Fensterscheiben, Sendemasten, Windkraftanlagen, Autos, Schrotgewehren, Fallen, Giften ...

Hilfe für Vögel

Die Gartenbesitzer unter den Vogelfreunden – und dazu zählen auch sehr viele Katzenfreunde – können viel zu deren Unterstützung beitragen: z.B. ihre Gärten vogelgerecht gestalten, d.h. Rückzugsmöglichkeiten etwa in Form von dornigen Büschen einrichten, auch den Insekten einen Lebensraum bieten und nicht zu gründlich aufräumen, und nicht zuletzt auf Pestizide, v.a. Insektizide, verzichten, um den gefiederten Wildtieren ausreichend Nahrung zu bieten.
Und was können die Katzenbesitzer unternehmen? Ihre Lieblinge rechtzeitig kastrieren lassen, um unerwünschten Nachwuchs zu verhindern und die Zahl auch der heimatlosen Hauskatzen in Grenzen zu halten, der laut Spiegel "durchs Gebüsch marodierenden Attentäter".

Quellen:

Hallmann, C.A., R.P.B. Foppen, C.A.M. van Turnhout, H. de Kroon & E. Jongejans (2014): Declines in insectivorous birds are associated with high neonicotinoid concentrations. – Nature 511, 341–343, doi: 10.1038/nature13531.

Loss, S.R., T. Will & P.P. Marra (2012): The impact of free-ranging domestic cats on wildlife of the United States. – Nature Communications 4, No. 1396.

 

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